click zum vergrößern

 

Liebe Lageschieber!

Hier für euch der Yacht-Artikel Heft 3/04 über das Männersegeln.

 

 

 

 

Der Männertörn ist eine Fluchtmöglichkeit aus dem Teufelskreis der Erniedrigung

Es hat Vorteile, ein Mann zu sein:
Warteschlangen vor dem Klo gibt's selten, und wenn, sind sie kurz. Mann muss nicht ständig eine Handtasche mit sich herumschleppen. Kann mit Artgenossen logisch und vernünftig kommunizieren. Wechselt nicht mehrmals täglich den Gemütszustand. Braucht nicht in kleinsten Intervallen einen Friseur. Hat 95 Prozent bessere Chancen auf einen Job im Top-Management von Großunternehmen. Beteiligt sich nur zu einem Achtzehntel am 100-Milliarden-Dollar-Umsatz für Kosmetika - ganz zu schweigen von den Einsparungen für Schuhe. Mann könnte wohlhabend, fröhlich und selbstbewusst durchs Leben gehen. Eigentlich.


Wenn da nicht stark limitierende Faktoren wären. Zum Beispiel die Chefs, im Job, aber auch zu Hause. Sie zwingen Mann zu widernatürlichen Verhaltensweisen, auf die er nie im Leben selber käme. Mann muss Sitzpinkeln, nach dem Duschen mit einem weichen Lappen die Kacheln trocknen, alte Socken sofort entsorgen, sogar in den eigenen Wänden artig Etikette pflegen und sich etwa drängende körperliche Entweichungen auch dann verkneifen, wenn weit und breit niemand ist, den sie beleidigen könnten.
Was das mit Segeln zu tun hat? Nun, Segler haben eine Möglichkeit erfunden, aus diesem Teufelskreis der Erniedrigung zu entfliehen. Den Männertörn.


Dabei handelt es sich um eine archaische maskuline Lebensform, bei der lediglich Abwesenheit von Frauen und ein Schiff nötig sind. Das Schönste daran: Sie gilt als politisch korrekt in der Damenwelt. Es ist modern, den Gatten kurzfristig von der Leine zu lassen. Denn es hat sich herumgesprochen, dass eine Woche im Kreise seiner Kumpel Wunder beim Mann wirken kann. „Meiner ist danach immer deutlich entspannter", bestätigt eine in der Hinsicht sehr erfahrene Ehefrau.


Dabei kann das eigentlich nicht sein. Lange bevor es losgeht, wird die Sache alles andere als entspannt. Im Job beginnt Mann Wochen vor dem Törn, auf den er sich seit Ende des letzten freut, für die Ausfallzeit vorzuarbeiten. Und auch die schlaue Partnerin nutzt die Steilvorlage: „Du fährst mir nicht weg, bevor der Schuhschrank gebaut ist." Nachdem Mann sich also derart seine temporäre Freiheit erkauft hat, quetscht er sich Freitagabends völlig fertig mit den ebenso malträtierten Kumpanen ins Auto, fährt die Nacht durch zum Liegeplatz in Südfrankreich, schleppt sich zum Schiff und startet nach flüchtiger Gepäckablage und Druckbetankung zum Nachttörn.


Wer das seiner Gattin als Entspannung verkauft, muss eine Blondine zur Frau oder schwer einen an der Waffel haben. Eigentlich. Beides trifft auf Walter Böttcher nicht zu. Und dennoch spricht auch der 68-jährige Duisburger, den seine Crew nur „Admiral" nennt, von „intensiver Erholung". Und der Mann weiß, wovon er redet. Seit 30 Jahren segelt Böttcher jede Saison mit seiner Kerncrew vom Duisburger Segel-Club den klassischen Männertörn. Erst zu fünft auf einer 27-Fuß-Jaguar in der Ostsee, später zu neunt mit 45-Fußern an der Cote d'Azur, in Griechenland, Spanien oder Italien.


Wohl laden bekanntermaßen viele Eigner zum Ritual Männertörn auf ihre Yacht, allerdings lassen sich ihre Zahl und andere aussagekräftige Einzelheiten un-möglich ermitteln. Anders sieht das bei Charterern wie dem Admiral aus. Laut Dirk Kadach vom Charterzentrum Heiligenhafen machen Männertörns inzwischen „mindestens 50 Prozent" seines Umsatzes aus. Tendenz steigend. Männersegeln hat sich zu einem veritablen Wirtschaftsfaktor entwickelt.
Diese Crews sind bei Vercharterern äußerst beliebt. Sie bieten Planungssicherheit, buchen früh und belegen überwiegend Vor- und Nachsaison. Und zwar so massiv, dass das bereits zu einer bemerkenswerten Umkehr der Verhältnisse geführt hat: Schiffe sind beim Charterzentrum Heiligenhafen im Sommer teilweise günstiger zu haben als in der vermeintlichen Nebensaison. Und Männer sind potente Kunden. .Jeder Mitsegler kommt mit eigenem Portemonnaie", sagt Dirk Kadach. Da falle die Chartergebühr für den Einzelnen nicht so ins Gewicht wie bei einer Familiencrew.


Christian Eschenburg von der Agentur Scansail bestätigt die ökonomische Bedeutung von Männertörns auch für internationale Reviere, besonders die Türkei und Griechenland. Bei der Hälfte der einwöchigen Reisen, die über seine Firma gebucht werden, sind keine Frauen an Bord.

 

Mann kann morgens ein Bier öffnen, ohne einen zwischen die Hörner zu bekommen


Bleibt die Frage, warum sich Männer - die teils noch viel Geld dafür zahlen - mit größtem Vergnügen freiwillig auf einem engen Schiff zusammenpferchen, dessen Standard an Wohnqualität sie andernorts nie akzeptieren würden. Die Crew des Admirals rekrutiert sich aus Bankkaufleuten, Ärzten, Firmenvorständen, Geschäftsführern, Studiendirektoren und so fort - allesamt keine Dummköpfe, keine armen Schlucker, die auf Komfort und Annehmlichkeiten verzichten müssten. Warum sie das dennoch tun und was sie treibt, sollen ihre über 30 Jahre penibel geführten Bordbücher erhellen.


Eine Notiz in der Ausgabe von 1981 entkräftet eines der naheliegendsten Argumente: Sex. „Beim ausgedehnten Landgang haben wir rasch das Vergnügungsviertel ausgemacht. Patrouillierende Damen versuchen, die Crew zu begeistern. Doch wie immer auf diesem Törn: Die Crew ist standhaft."


Dass das meistens, aber gewiss nicht immer gilt, ist bekannt. Es gibt sie tatsächlich, die als Männertörn getarnten Sexorgien. Berüchtigte Ziele dafür sind Thailand, Trinidad zur Kamevalszeit oder Ibiza in der Hauptsaison. „Einmal hat meine Herrencrew acht Miezen mit an Bord gebracht. Für jeden eine", erzählt Profi-Skipper Ferdinand Kloth: „In der Woche haben wir nicht viele Meilen gemacht." Er hat in 15 Jahren in dem Geschäft auch Fälle erlebt, bei denen ein Mallorca-Törn als Alibi für amouröse Eskapaden benutzt wurde und sich die Liebestollen nur am Anfang und Ende der Reise an Bord blicken ließen. „Aber das", sagt Kloth, „waren Ausnahmen und keine richtigen Segler."


Der Admiral und seine Mannschaft sind einst gar zu Unrecht in den Verdacht unlauterer Absichten geraten, wie das Bordbuch von 1976 über ein Erlebnis auf Feme in der Ostsee verrät: „Es ist ein brüllend heißer Tag ohne Wind. Wir schlendern zum Hafen, und bald sind die ersten textilfreien Nixen auszumachen. Manfred, Charly und Walter gehen ins Wasser. Natürlich unten ohne, wie es sich für einen FKK-Strand gehört. Plötzlich rotten sich 20 dieser vermeintlichen Nixen zusammen und nähern sich unbekleidet bis auf zehn Meter. Sie fordern uns auf, den Strand zu verlassen. Auf unsere freundliche Nachfrage hin bewaffnen sie sich mit Steinen und klackem sie drohend gegeneinander. Wir entschließen uns zum Rückzug, nicht ohne die Kleider unserer schwimmenden Kameraden mitzunehmen, die sich in sicherer Entfernung von Lachanfällen geschüttelt kaum über Wasser halten können.

Nach diesem Vorfall ist das Selbstbewusstsein der Crew schwer angeknackst, bis sich das rätselhafte Verhalten der Amazonen aufklärt. Es handelt sich um ein internationales Lager der Frauenliga für mehr Emanzipation, gegen das Abtreibungsverbot und alles Maskuline. Schauerlich. Wir vergessen die Tagesereignisse bei Jägermeister und Jubi."


Womit der nächste wichtige Aspekt angesprochen ist: Alkohol. Er fehlt bei keinem Männertöm. „Einer Truppe mussten wir Jever-Paletten auf die Seychellen nachschicken", erzählt Scansail-Mann Eschenburg. Er kennt einige Geschichten von Unfällen unter Alkoholeinfluss und von Crews, die mit dickem Kopf ihre Flüge verpasst haben. Trotzdem, dass Yachten hauptsächlich zu Kneipen umfunktioniert werden, ist absolute Ausnahme: „Die meisten benehmen sich vernünftig."


Kann zwar vorkommen, aber Absturz ist fast nie erklärtes Ziel. Nein, auch das hat mit Freiheit zu tun, wie ein Nordsee-Segler sagt, der seit über 20 Jahren liebend gern mit seinen Kumpels tourt: „Unter Männern kann man auch mal um zehn Uhr morgens ein Bier offnen, wenn einem danach ist, ohne gleich einen zwischen die Hörner zu bekommen." Alkoholkonsum verträgt sich schwer mit hartem Segeln. „Bei diesem Kurs fordert die gestrige Ballernacht ihren Tribut", notierte einst der Duisburger Chronist. „Alsbald gehen Dieter und Gottfried geschlossen zum Würfelhusten über. Dem schließt sich später auch Olaf an, der die beiden zu lange beobachtet hatte." Daneben findet sich im Bordbuch ein Zeitungsartikel von 1976, in dem ein gewisser Professor Carstens herausgefunden haben will, dass „der auf der Ostsee verbilligte Bezug von Alkoholika einen gewissen außersportlichen Anreiz für das Segeln darstellt."


Dieser „Anreiz" existierte nie. Ganz im Gegensatz zum „Reiz des Abenteuers", wie der segelnde Psychologe Reinhard Mann aus Köm formuliert. Hartes Segeln, Meilenfressen, Starkwind abwettern seien „die wichtigsten Motivationen für den Männertörn": „Man kann Reisen unternehmen, die Frau und Familie nicht mitmachen würden. Dabei spielt das Höher-schneller-weiter-Prinzip unter Männern eine besondere Rolle. Die körperliche Aktivität wird zum Prinzip erhoben."

Tatsächlich schafft die Duisburger Crew um die 300 Meilen in der Woche. Sie geht dabei keinem Wettkampf aus dem Weg: „Am Horizont kommt eine Swan bedrohlich näher. Das weckt Siegesgelüste, und es wird gefetzt, was die Lappen hergeben. Am Wind schaffen wir bis zu zehn Knoten. Bei St. Tropez fangen wir noch einen Zweimastschoner, der alsbald das Rennen deprimiert aufgibt. Schließlich steckt auch die Swan auf."


Diese ausschließliche Konzentration aufs Wesentliche ist charakteristisch. Unter Männern bleibt Banales banal - ob da nun noch Haare im Bad, Unterhosen im Salon oder Essensreste in der Pantry liegen, daraufkommt es doch wirklich nicht an, wenn es gilt, Konkurrenz zu versegeln.

Das Hauptmotiv für Männertörns: Es wird gefetzt, was die Lappen hergeben

Kein Wunder bei dieser Herangehensweise, dass Männercrews häufiger Schäden verursachen. „Bei uns sind es 50 Prozent mehr", sagt Vercharterer Kadach. „Die Jungs können zwar gut segeln, sind aber auch durch die Gruppendynamik deutlich risikofreudiger." Denn die größte Faszination birgt das Meistern seglerischer Grenzsituationen. Ihre Geschichte von der Sturmfahrt nach Port Grimaud tragen die Duisburger wie ein Banner vor sich her. „In einer kurzen Atempause des Mistrals lösen wir uns in einem schwierigen Manöver vom Kai in Cavalaire. Bei 7 Beaufort rauschen wir raumschots nur unter Fock Richtung Port Grimaud, wo wir das Schiff abgeben müssen. In der Bucht von St. Tropez nimmt der Wind zu, Höher, schneller, weiter. Diese Männercrew hat sichtlich Spaß am Sport die Wellen werden höher, wir müssen kreuzen. Mit Motorunterstützung drücken wir das Schiff problemlos durch die Wende. Aber plötzlich kommt das Vorsegel von oben. Erst öffnet sich die Brem-se an der Fallwinsch, dann reißt das Fall. Wir setzen das gereffte Groß. Aber die Reffumlenkrolle schert glatt ab, und das Groß reißt ein. Der Wind erreicht in Böen 10. Die Sturmfock am Toppnant gesetzt und der Besan helfen nicht weiter. Dann verabschiedet sich auch noch die Maschine. Das Schiff treibt manövrierunfähig quer zur Welle. Die Rockies von La Motte in Lee kommen immer näher. Kein schönes Gefühl. Der Admiral schießt rot. Aber niemand bemerkt unser Klein-Feuerwerk. Jemand kommt auf die glorreiche Idee, die Fock am Spifall zu setzen, auch wenn wir befürchten, dass es nicht hält. Aber wir machen Fahrt!!! Voraus!!!"


Typisch ist ferner, dass harte Action mit Muße wechselt, und zwar in ähnlicher Absolutheit. Mann lässt sich bedingungslos fallen. Er schläft, wenn er Schlaf braucht. Brutzelt in der Kombüse, wenn der Hunger kommt. Redet ungefiltert, was ihm durch den Kopf geht. Übt sich straflos in ganz und gar unsittlichem Humor. Und darf, endlich, ungestört seine Affinität zum Fußball ausleben. „Ein Aufschrei an Bord, der in rhythmisches Klat-schen und Gesänge übergeht. Der MSV Duisburg führt zur Halbzeit gegen Bayern 3:1. Portwein trägt zur guten Stimmung während der Radio-Übertragung bei. Bis zum Schlusspfiff. Die Meidericher gewinnen 5:2. Schon im Vorjahr haben sie während unseres Töms einen 6:2-Kantersieg gegen Kickers Offenbach hingelegt. Das kann kein Zufall sein. Wir wollen der Vereinsführung vorschlagen, immer dann unsere Charter zu übernehmen, wenn sie dringend Heimpunkte benötigt." Mit einem Satz: Mann lässt es sich so richtig gut gehen. Hemmungslos. Nicht immer kommt dabei dem Kulinarischen - eine Dose Eintopf tut's schließlich auch - solche Bedeutung zu wie bei Böttchers Crew. Sie hat mit Manfred Klinkenberg stets einen Hobby-Koch dabei, und der verwöhnt die anderen schon mal mit Hummerschwänzen satt: „34 für jeden. Dazu gut gekühlter 76er-Guldenthaler Hipperich, genug Sonne, dass wir mit nacktem Oberkörper an Deck sitzen. Zum Nachtisch Kaffee mit Cognac. Das Gelage dauert ein einhalb Stunden."

Unterordnung fällt Männern deutlich schwieriger, wenn Frauen an Bord sind
Härte muss sein. Ohne Frauen an Bord segeln Männer risikoreicher und genießen es


Von Zerwürfnissen berichtet die 30-Jahre-Chronik an keiner Stelle. Sie enthält lediglich die Einsicht, dass sich „die Leute gut kennen müssen. Sonst kann das Zusammenleben auf engstem Raum schnell zu Aggressionen rühren, wenn man die Macken und Meisen der anderen nicht schon kennt und sie akzeptiert."


Problematischer kann es zuweilen werden, wenn sich Führungspersonal in der Bordhierarchie einordnen muss. „In Männergemeinschaften finden immer Machtkämpfe statt", sagt Psychologe Reinhard Mann. „Aber sie empfinden das nicht negativ, sondern halten eine klare hierarchische Struktur für nötig und gerecht. Die Unterordnung ist deutlich schwieriger, wenn Frauen anwesend sind."


Trotzdem können Allüren und insbesondere Überschätzung das Gefüge stören. So waren bei der Duisburger Crew in 30 Jahren insgesamt 21 Männer dabei. Aber neun brachten es auf nur einen Einsatz. Ein Grund fürs Aussortieren: zu wenig Können, zu große Klappe. Am einfachsten war die Rollenfindung für Karli, weil er nichts vom Segeln verstand. Auf die Anweisung „Ölzeug einpacken" deckte er sich mit Sonnencreme ein.
Irgendwann hat Mann sich ausgetobt. Exzessiv gesegelt, exzessiv genossen. Sein befristeter Ausbruch neigt sich dem Ende zu. Er hat genügt, dass Mann sich großartig fühlt. Stark und, jawohl, erholt. „Ein Männertörn bedeutet die totale Freiheit", sagt der erfahrene Admiral. „Aber nach einer Woche reicht es auch."
(Carsten Kemmling YACHT 3/04)

 

SO FUNKTIONIERT DER MÄNNERTÖRN:


Toleranz - Psychologisch ist sinnvoll, dass ein Mitsegler sich nicht sofort auf jeden Hierarchiekampf einlässt. Er sollte umgänglich sein und im Idealfall über Segelwissen verfügen.

Rollenverteilung - Jeder muss seine Aufgaben an Bord kennen. Funktionierende Männercrews verteilen oft Titel, je nach den Fähigkeiten der Crew. Zum Beispiel Admiral, Wettermacher, Sittenwächter oder Technischer Offizier. Je nach Aufgabengebiet müssen die Arbeiten fair veteilt werden: Einkaufen, Kochen, Abwaschen.

Bordkasse - Häufig gibt es Ärger ums Geld. Ein vertrauenswürdiger Zahlmeister sollte die Bordkasse führen, aus der alle gemeinsamen Ausgaben bestritten werden. In einer homogenen Gruppe ärgert sich niemand darüber, wenn jemand mehr verzehrt als ein anderer. Falls doch, kann ein unbequemes Kontosystem eingeführt werden, bei dem anteilig gezahlt wird.


Kautionsversicherung
- Um Diskussionen über Schäden und Schuld aus dem Weg zu gehen, kann die Kaution versichert werden.

Sauberkeit - Unterschiedliche Reinheits Standards sind einer der größten potenziellen Streitpunkte. Bewährt haben sich Pläne, wer wann was zu säubern hat.